Groko zieht unwürdiges Abwahlspektakel durch! 12. Juni 201414. Juni 2014 Die neugebildete große Koalition im Kreistag von Marburg-Biedenkopf hat ihr Werk vollendet und das unwürdige Abwahlspektakel durchgezogen. Zwei Sondersitzungen, die die GroKo unter konkreter Vorgabe mit Terminen und Uhrzeit beantragt hatte, tausende Euro an Sitzungsgeldern und viel Verwaltungsarbeit waren nötig, um einen verdienten Hauptamtlichen vorzeitig aus dem Amt zu entfernen und Platz für einen neuen mit dem richtigen Parteibuch zu schaffen. Karsten McGovern erhielt Lob und Anerkennung für seine Arbeit von – fast – allen Seiten, aber dennoch stimmten 57 Kreistagsabgeordnete für seine Abberufung auf zweifelhafter kommunalrechtlicher Grundlage. In der Kreistagssitzung wurden alle formalen und inhaltlichen Argumente gegen das Verfahren noch einmal aufgezählt (s. auch die „Rede zum 1. Wahlgang zur Abwahl von Karsten McGovern„). Reiner Nau zeigte auf, weshalb die Einberufung der Sondersitzung fehlerhaft war. So konnte der Kreistagsvorsitzende die zweite Sondersitzung weder unverzüglich noch nach eigenem Ermessen einberufen, da ihm schon Wochen zuvor exakte Termine durch die GroKo vorgeschrieben wurden. Die grüne Fraktionsvorsitzende Sandra Laaz führte hochkarätige Kommentatoren des hessischen Kommunalrechts für die „missbräuchliche Verwendung der Abberufungsmöglichkeit“ ins Feld. Von der CDU wurde erneut unwahr behauptet, dass die Grünen schon frühzeitig zur SPD wechseln wollten. Wahr ist hingegen, dass von Seiten der SPD immer angeführt wurde, die Grünen hätten zu spät das Gespräch mit Ihnen gesucht. Die CDU sei schon viel früher auf sie zugegangen, während sie sich jede Kontaktaufnahme der Grünen mit der SPD als Koalitionsbruchs ansehen würde. Anscheinend wird dies intern als Rechtfertigung des Koalitionsbruch benötigt. Zur vorzeitigen Abberufung hauptamtlicher Beigeordneter mit 2/3-Mehrheit schreiben die Kommentatoren Michael Borchmann, Dankwart Breithaupt und Gerrit Kaiser, letzterer war langjähriger Hauptgeschäftsführer des Landkreistages in „Kommunalrecht in Hessen“(2006, 3. Auflage) auf Seite 138, wie das Verfahren zur Abberufung zu bewerten ist : „Das regelmäßig zur Anwendung kommende Verfahren ist in § 76 Abs. 1 normiert. […] Die beschriebene Abberufung […] war umstritten, wurde aber […]eingeführt […, um ] außerhalb des Dienststrafrechts-verfahrens [hierfür] eine Möglichkeit im Gesetz [zu verankern]. [… Es] bedarf jedoch einer Zweidrittel-mehrheit […] und einer zweimaligen Abstimmung. Daher erscheint eine Abberufung nur bei tiefgehender Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Wahlbeamten und Gebietskörperschaft möglich. […] die bisherige praktische Handhabung des § 76 Abs. 1 HGO bestätigt dies. Abberufen wurde regelmäßig nicht deshalb weil sich Mehrheitsverhältnisse in den Vertretungskörperschaften grundlegend geändert hatten, sondern deshalb, weil sie ehrenrührige Verhaltensweise gezeigt hatten […]. Parlamentarische Elemente enthält demgegenüber […] die durch Gesetz vom 4.7.1980 eingeführte Möglichkeit […] hauptamtliche Beigeordnete innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Wahlzeit mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder […] vorzeitig abzuberufen.“ Hier liegt entgegen der unablässig wiederholten Beteuerungen, eine missbräuchliche Anwendung des § 76 Abs. 1 der HGO anstelle der für geänderte politische Mehrheitsverhältnisse geschaffenen Abs. 2 vor, die beispiellos ist. Nur eine große Koalition kann diese 2/3-Mehrheit sicherstellen und auch nur mit einiger Mühe. Dazu werden zwei Sondersitzungen beantragt, die vom KTV eigentlich unverzüglich nach eigenem Ermessen einzuberufen sind, da die Entscheidungen keinen Aufschub bis zu nächsten Sitzung dulden. Ihm wird aber nicht das eigene Ermessen und ggf. die Herstellung des Einvernehmens mit den Fraktionen und Kreisorgangen zugestanden, sondern zwei konkrete Termine mit Uhrzeit vorgegeben. Mindestens für die zweite Sondersitzung gibt es keinerlei inhaltlichen oder formalen Grund. Der KTV konnte die zweite Abstimmung auf die TO der regulären Sitzung setzen. Die Sicherstellung der 2/3-Mehrheit ist der alleinige Grund. Fazit: Es liegt eine ausschließlich parteipolitisch motivierte Abberufung vor, die weder im Interesse des Landkreises ist, noch dass für sie eine gesetzliche Grundlage geben ist. Gesetze und Geschäftsordnungen, Kreisfinanzen und Kreisorgane werden für die vorzeitige Abberufung und Neubesetzung eines Postens durch die beiden großen Parteien missbraucht. Niemand hat eine tiefgehende Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Hauptamtlichen und Kreistag festgestellt. Im Gegenteil, die CDU hat die Arbeit des EKB bis zum 31.1. hochgelobt und als wichtigen Garanten der 13-jährigen erfolgreichen Zusammenarbeit gewürdigt. Daran hat sich innerhalb weniger Wochen nichts geändert. Wer die 13-jährige erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit und das Fehlen eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses als Voraussetzung für eine Abwahl anerkennt, müsse mindestens für eine würdevolle Beendigung der Amtszeit des Ersten Kreisbeigeordneten stimmen, so Laaz. Dies sei sowohl formal, wie moralisch unabdingbar. Doch trotz deutlicher Nervosität im Saal zog die Groko ihr unwürdiges Abwahlspektakel durch. Mit 57 Abgeordneten wurde die nötige 2/3-Mehrheit für die Abwahl erreicht. Danach verabschiedete sich McGovern von Kreistag, Kreisauschsuss und Verwaltung ohne Groll und mit großer Souveränität. Er dankte für die 13 Jahre, in denen er den Kreis mitgestalten konnte und wünschte seinem Nachfolger und der neuen Landrätin sowie dem Kreis insgesamt alles Gute für die Zukunft. Mit seiner letzten Rede im Kreistag erntete an diesem Abend mit Abstand den meisten Applaus. Nach der erfolgten Abwahl wurde von der Opposition die Qualifikation von Marian Zachow für die Neuwahl als Erstem Kreisbegeordneten mit scharfen Worten bestritten. Außer Parteibuch und einem mäßigen Ergebnis bei seinem Scheitern bei der Landratswahl habe er nichts vorzuweisen. Die Vertreter der GroKo beteuerten das vorhandene Potenzial, nach dem man ihn zu beurteilen habe. Dem wurde entgegengehalten, dass jeder kleine Verwaltungsmitarbeiter bei der Einstellung schärfer beurteilt wird, schließlich habe jeder Mensch Potenzial, aber muss bei einer Einstellung seine Kompetenzen auch belegen. In der Ausschreibung findet sich hierzu außer Allgemeinplätzen nichts. Nachdem Zachow gewählt und vereidigt war bildeten sich lange Schlangen zur Gratulation, aber noch längere zur Verabschiedung von McGovern, dem viele Ihre Bedauern um die Art der Abberufung aussprachen. Zum anschließenden Sektempfang fehlte nicht nur die Opposition, auch der größte Teil der SPD verließ zügig das Kreishaus. So manchem scheint bei dem ganzen Ablauf nicht wohl gewesen zu sein.