Rede zum 1. Wahlgang zur Abwahl von Karsten McGovern

Abwahl Dr. Karsten McGovern. Foto: Tobias HirschAm 25. April 2014 fand eine Sondersitzung zur Abwahl des Ersten Kreisbeigeordneten statt. Im Vorfeld wurden viele Rechtfertigungen für diesen einmaligen  Vorgangs geäußert und dabei teilweise Unwahrheiten verbreitet: Abwahlen nach Kommunalwahlen mit einfacher Mehrheit sind üblich, aber keine nach einer Personenwahl mit einer 2/3-Mehrheit, die es dem Parlament ermöglichen soll bspw. bei schweren Vergehen den Amtsinhabers  abzuwählen. Der einzige Antrag, den es gab, McGovern zu rügen, wurde 2013 von der FDP gestellt und ist von der großen Mehrheit des Kreistags klar und deutlich abgelehnt worden. Auch mit der darauf folgenden Dienstaufsichtsbeschwerde ist die FDP gescheitert und versuchte daraufhin kläglich eine Klarstellung des RP als Erfolg umzudeuten.

Auch dass eine Abwahl 2001 schon einmal mit grüner Hilfe erfolgte, ist unwahr. Der 1KB der SPD konnte bis zum Ende seiner Amtszeit bleiben. Es wurden persönliche Beleidigungen ausgesprochen, Behauptungen über Wahlversprechen und Koalitionsverhandlungen machten die Runde, in denen die Wahrheit verdreht wurde. Die Grünen haben im Sinne der Haushaltskonsolidierung sowohl der SPD 2011, wie nun aktuell 2014 der CDU keinen weiteren Hauptamtlichen zugestanden, um sich selbst eine Koalition zu sichern.

CDU und SPD mussten nun die Vorgaben aus Gesetz (HGO/HKO) und Geschäftsordung (GO) über alle Maßen dehnen, um ihre Ziele zu erreichen. Reiner Nau listete in einem Geschäftsordnungsantrag zum Beginn der Sitzung alle Verstöße auf, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einberufung der Sitzung begründen. Der Antrag fand keine Mehrheit. Danach begann die Debatte. In der Sitzung hielt ich dann die folgende Rede.

Eine Selbstverständlichkeit, eine völlig normaler Vorgang, ein Symbol für neue Mehrheiten,…. Die neuen Partner werden nicht müde dies zu wiederholen, so auch heute. Doch wenn es also so selbstverständlich ist, warum geschieht dies dann so aufgeregt, so aggressiv – und leider auch mit Verdrehungen von Wahrheiten?
Wieso wird dann alles schlecht geredet, was bis Ende Januar mit Fischbach und McGovern noch gut war? Man darf sich schon über all die Rechtfertigungen wundern, die da hervorgekramt werden. Ja, ich weiß: Jetzt gilt es sich nicht durch Kritik beirren zu lassen!

Doch: Es gibt nun mal keine neuen Mehrheiten. Nach der Kommunalwahl gab es die Möglichkeit durch die Zusammenarbeit von Fraktionen einen neuen Hauptamtlichen mit einfacher Mehrheit zu bestimmen, wie es andernorts – auch mit grüner Beteiligung – passierte. Aber nicht 2001 von schwarz-grün, da konnte der Erste Kreisbeigeordneter der SPD, Herr Naumann, bis Ende seiner Amtszeit bleiben. Aber seit 2011 haben sich die Fraktionsverhältnisse im Kreistag, hat sich der Wählerwille nicht geändert. Es gab im Herbst eine Personenwahl. Viele Grüne haben in der Stichwahl Frau Fründt gewählt. Der Erste Kreisbeigeordnete hat seine Zusammenarbeit angeboten und ist selbstverständlich bereit seine Arbeit bis zum Ende seiner Amtszeit fortzusetzen. Und bis Ende Januar hatte er das Vertrauen der Mehrheit. Ist irgendetwas geschehen, das sich daran plötzlich etwas geändert hätte? Uns ist nichts bekannt!

Jetzt den Ersten Kreisbeigeordneten abzuwählen, ist es eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Dies sieht auch der Gesetzgeber so: Die Hürde ist höher und sie ist mit gutem Grund höher. Denn nur als Ultima Ratio bei schlechter Amtsführung, Rechtsverstößen oder unheilbar gestörtem Verhältnis zum Kreistag soll dieser mit einer 2/3-Mehrheit den Erster Kreisbeigeordneter aus dem Amt entfernen können. Der Kreistagsvorsitzende hat aus der Kommentierung zitiert, in der dieses zu lesen ist. Nirgendwo ist dies in Hessen bisher geschehen und nichts davon liegt vor und daher tun sich die beiden neuen Partner mit dieser deutlich höheren Hürde auch so sichtlich schwer. Die Mitglieder der beiden Fraktionen müssen eingeschworen, renitente kaltgestellt werden. Es muss ein spezieller Termin gefunden werden, der diesen beiden Fraktionen im Kreistag passt, daher aber nicht einvernehmlich mit allen Fraktionen abgestimmt, sondern gleich im Antrag nur von diesen beiden festgelegt wird. Der Kreistagsvorsitzende kann nicht nach den Vorgaben und im Geist der GO und den bisherigen Gepflogenheiten entsprechend einen Termin für eine Sondersitzung festlegen, sondern muss sich über diese und die Wünsche der anderen Fraktionen hinwegsetzen. Die Kosten müssen kleingeredet werden usw. und usf.

Entsprechend sind die Kommentare von allen Seiten: Die Bedenken von Bürgern, des Steuerzahlerbundes und von den Bürgermeistern im Landkreis – sie müssen beiseite geschoben werden. Die der Bürgermeister verbittet sich der Parteivorsitzende gar – offenbar hatten sie die richtigen Worte gewählt. Das ist alles eben keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern Ausdruck dieser hohen Hürde und des Missbrauchs von HKO und GO.

Wir alle wissen, dass diese Bedenken von vielen hier im Raum geteilt und im vertraulichen Gespräch auch genannt werden. Unsere Hochachtung, Frau Newton, dass Sie Ihrer Haltung hier auch bei der Abstimmung Ausdruck verleihen. Im Sinne der Demokratie ist es nur sehr traurig, dass dies einer Erwähnung überhaupt wert und nicht selbstverständlich ist.

Die neue Zusammenarbeit muss also für die Bürger des Landkreises ein besonders hoher Gewinn sein, wenn zusätzliche Kosten für das Nichtnutzen der Arbeitszeit des Erster Kreisbeigeordneter bis zum Ende seiner Amtszeit, für zusätzliche Kreistagssitzungen und erhöhten Verwaltungsaufwand, wenn so viel zerschlagenes Porzellan und all das gerade Genannte in Kauf genommen wird. Doch was steht im Koalitionsvertrag drin: Zu 90% wird von CDU und SPD das fortgesetzt, was CDU, Grüne und Freie Wähler bisher auch gemacht haben. Kein Wunder, denn die SPD hätte ja gerne nach der Kommunalwahl auch mit den Grünen ein vergleichbares Programm aufgestellt. Viele Aufgaben des Landkreises haben nun mal keinen besonderen Gestaltungsspielraum, sind Pflichtaufgaben. Und bei einigen großen Zukunftsthemen im Bereich Soziales und Energie, Klimaschutz und Gentechnik besteht im Kreistag sowieso große Einigkeit.

Wo ist also der Gewinn für die Bürger? Wozu also die Eile und all die Aufgeregtheit? Der Erster Kreisbeigeordneter könnte seine Arbeit bis zum Ende seiner Amtszeit fortsetzen, sich um das kümmern, wo er nachweislich in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat, insbesondere um das KJC und um die Gebäudesanierung. Stattdessen werden zusätzliche Kosten in Kauf genommen, damit nun nach dem Ende der Ära Fischbach schnell ein vollständiger Wechsel an der Verwaltungsspitze kommt. Ein fließender, für die Verwaltung verträglicher Übergang wird so vereitelt. Was soll daran besser für den Landkreis, besser für die Verwaltung und die Bürger sein?

Doch was ist nun mit den paar Prozenten Unterschied im Programm? Ja, es gibt es zwei und zwar entscheidende: Die bis Ende Januar hochgelobte Haushaltskonsolidierung von Fischbach und McGovern, die die Voraussetzung für eine Senkung der Kreisumlage ist, wird aufgegeben, es werden neue Kosten produziert. Den Bürgern wird vorgegaukelt, dass Geld eingespart wird, in dem die Planzahlen nach unten korrigiert werden. Doch mit dem Ändern einer Planung ist noch kein einziger Cent eingespart. Im Gegenteil: Die so aus dem Plan gewonnene Luft, die heiße Luft wird gleich für Aufblasen neuer Ausgaben verwendet. Für CDU und SPD sind € 80.000,- nur für die Personalkosten des Ersten Kreisbeigeordneten bis zum Ende seiner Amtszeit angesichts der € 800.000,- heiße Luft aus dem Haushaltsplan Peanuts. Dazu kommen zwei Sondersitzungen des Kreistages und erhöhte Verwaltungskosten, summa summarum € 100.000,-. Und als zweites haben die beiden Parteien schon mal den Landkreis ganz übernommen: Auf ihrer Vereinbarung prangen nicht deren Parteilogos sondern gleich mal das Logo des Landkreises. Ein schönes Symbol für das ganze Vorgehen.

Angesichts dessen, was der Kreistag alles an dringenden Wünschen nicht erfüllen konnte, kann man den in vielen Kommentaren geäußerten Politikverdruss der Bürger verstehen. Der Eindruck der Bürger, dass es nur um Macht geht, dass die Politik den Staat als Selbstbedienungsladen versteht, wird durch diese Aktion von CDU und SPD verstärkt.

Auch ich als ehrenamtlicher Mandatsträger finde dies persönlich sehr enttäuschend, da es mir um politische Gestaltung geht und nicht um Pöstchen. Wenn der Antrag gestellt würde, Karsten McGovern wegen schlechter Amtsführung abzuwählen, er würde im Kreistag keine Mehrheit bekommen. Wenn die Bürger gefragt würden, ob Karsten McGovern einen guten Job gemacht hat und seine Arbeit fortsetzen soll, eine große Mehrheit würde dem zustimmen.

Einzig und allein macht- und parteipolitische Fragen bestimmen den Abwahlantrag. Keine Sachfragen spielen eine Rolle, nicht die gute Arbeit des Ersten Kreisbeigeordneten, nicht das zusammen mit Robert Fischbach über 13 Jahre erreichte. Lehnen Sie den Antrag ab, wenn Ihnen das was wert ist. Denn wenn die Abwahl von Karsten McGovern hier nicht abgelehnt wird, ist der zunehmende Politikverdruss der Bürger im Kreis für mich mehr als verständlich.

Ich hoffe weiter auf konstruktive inhaltliche Kreistagsarbeit anstelle einer konfrontativen Machtpolitik. Ich hoffe – vielleicht idealistisch-naiv – trotz all der üblichen Spielchen des Vorführens des „Gegners“, trotz überflüssiger Alternativanträge anstelle der Verständigung auf gemeinsame, trotz Postenhuberei weiter auf eine konstruktive inhaltliche Zusammenarbeit im Kreistag. Setzen sie ein Zeichen für eine Politik der inhaltlichen Gestaltung und des konstruktiven Miteinanders, des menschlichen Umgangs und gegen Politikverdruss und lehnen Sie den Abwahlantrag ab!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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