Fachtagung zu Cannabis

Grüne Marburg-Biedenkopf

Derzeit wird über die Freigabe von Cannabis unter Überprüfung der Auswirkung durch Modellregion diskutiert. Grund ist u.a., dass wir eine Ungleichbehandlung verschiedener Drogen haben. Alkohol, Tabak und Tabletten verursachen viele Tote und Gesundheitsschäden, aber das vergleichsweise weniger gefährliche Cannabis wird rechtlich restriktiver behandelt. Durch die Illegalität von Anbau und Handel blüht der Schwarzmarkt, sind verunreinigte Stoffe, solche mit Beimischungen oder mit höherem THC-Gehalt zu bekommen, die vor allem für die Konsumrisiken verantwortlich sind.

Vor diesem Hintergrund haben wir Grüne beantragt eine Fachtagug zu orgsnisieren, damit wir Kreistagsmitglieder zu einer fundierten Entscheidung für den Weg des Landkreises kommen. Hierzu habe ich am 14. Juli folgende Rede gehalten:

Vorweg: Wir entscheiden hier nicht über die Freigabe von Cannabis, das ist Sache des Bundestags auf Antrag des Bundesgesundheitsministers, wie diese Woche das Bundesverfassungsgericht wiederholt feststellte: Es ist Aufgabe des Gesetzgebers Strafnormen an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen.

Wir entscheiden darüber, ob wir die gleichen Fehler wie bei Tabak und Alkohol machen, Zitat Bundesministerium für Gesundheit: „In der Gesellschaft herrscht eine weit verbreitete unkritisch positive Einstellung zum Alkohol vor.“

Jährlich rund 75.000 Todesfälle durch Alkoholkonsum gibt es in Deutschland, nicht selten verbunden mit Konsum von Tabak. Mittelbare Todesfälle, Krebserkrankungen u.a. kommen noch hinzu, allein 60.000 Tote durch Lungenkrebs.

Über 10.000 Kinder und Jugendliche werden im Jahr aufgrund von Alkoholmissbrauch stationär in einem Krankenhaus behandelt, darunter Kinder schon ab 10 Jahren. Statistisch alle 10-14 Tage eins in unserem Landkreis.

Gegenüber diesem Drogenmissbrauch sind wir als Gesellschaft blind. Tot und Erkrankungen werden akzeptiert. Alkoholpräventionsprogramme verpuffen, die Verbotspolitik ist gescheitert. Oder um es mit den Worten des BVerfG zu sagen; der Genuss von Alkohol kann wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten nicht effektiv unterbunden werden. Drogenkonsum ist im weltweiten Vergleich eben auch immer eine kulturelle Frage.

Damit wir diese Fehler nicht bei der Freigabe von Cannabis wiederholen, wenn auch dessen Gefährlichkeit nach bisheriger Erkenntnis nicht so hoch ist oder wie es das BVerfG formulierte „weit weniger gefährlich,“ , gilt es aufzuklären, zu kontrollieren und zu beraten.

Sich naiv zu stellen, als gäbe es bei uns keinen Konsum, lässt den unkontrollierten Konsum von verunreinigtem, von synthetischem Cannabis und Präparaten mit erhöhtem THC-Gehalt und die Geschäfte mit diesen zu.

Wir sollten aus der Drogengeschichte der Menschheit lernen. Wir Grüne wünschen uns eine ehrliche gesellschaftliche Diskussion hierüber, statt die Realität zu ignorieren.

Dazu müssen wir nicht zwangsläufig Cannabis-Modellregion werden, wie Frankfurt und Offenbach.

Aber es steht uns gut an, wie im Wetterau- und im Schwalm-Ederkreis, wie in Darmstadt, Hanau und Wiesbaden und vielen anderen Kommunen darüber zu sprechen, ob eine wissenschaftliche und beratende Begleitung, vielleicht ge–meinsam mit der Stadt Marburg und der Universität, auch bei uns sinnvoll wäre.

Noch einmal: Wir entscheiden hier nicht über die Freigabe von Cannabis, aber über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Konsumrealität – einem verantwortungsvollerem als mit den gesellschaftlich akzeptierten Drogen Tabak und Alkohol, die zigtausende Tote im Jahr zur Folge haben.

Ja, ich weiß: „Weiter so“ zu fordern, ist gerade sehr populär, die Realität einfach ignorieren und den Leuten vormachen, es müsse sich ja schon nichts ändern. Doch das ist kein politisch verantwortliches Handeln.

Es ist naiv zu glauben, einfach verbieten, dann sind der Missbrauch von Cannabis, Ecstasy und Alkohol verschwunden. Ja, genauso naiv, wie Drogen zu erlauben und dann wären auch die Risiken verschwunden.

Noch eine Anmerkung als Agraringenieur: Hanfanbau war bei uns lange generell verboten wie auch der Mohnanbau, nicht in der DDR und mal abgesehen für wissenschaftlichen Zwecke, wie bei der Versuchsanstalt meiner Uni in Rauischholzhausen. Da wurde aus undifferenzierten dogmatischen Gründen den Landwirten die Chance auf den Anbau einer äußerst wirtschaftlichen Pflanze genommen, bei der alle Pflanzenteile sinnvoll verwertet werden können.

Ich hoffe immer noch, dass wir nach 4 Jahrzehnten auch bei der heutigen Frage weiter sind als damals und uns diesem Thema vernünftig und wissenschaftlich differenziert widmen können. Unser Antrag will hierzu einen Beitrag leisten.

Der Gesetzgeber passt nach und nach Strafnormen an die gesellschaftliche Entwicklung an. Unsere Aufgabe ist es die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu gestalten.