Eine Analyse zum A49-Grünen-Dilemma

Extremniederschlag

Im folgenden dokumentiere ich eine Analyse zum A49-Grünen-Dilemma von Gregor Kreuzer, dem Kreisvorstandssprecher der Göttinger Grünein zwei Threads bei Twitter @kreuzer_gregor am 5. und 6. Oktober veröffentlicht hat.

Teil 1, 5. Okt.:

Es wird gerade von vielen Verbündeten der Grünen – beispielsweise #FFF – gegen die @gruenehessen geschossen. Während die Wut über die #A49 gerechtfertigt ist, so ungerechtfertigt sind die Grünen als Adressatin der Kritik. Ein Thread, der versucht, etwas Frieden zu stiften. 1/11

Der Kritik am Weiterbau der Autobahn schließe ich mich komplett an. Wer 2020 noch neue Autobahnen bauen will, macht eine komplett verfehlte Verkehrspolitik. Straßenneubauten wird dem Biodiversitätsverlust, der Klimakrise und den Bedürfnissen der Menschen nicht gerecht. 2/

Generell unterliegt Autobahnbau der Bundesauftragsverwaltung. Das bedeutet, dass Landesbehörden der Weisung des Bundes unterliegen. Landesregierungen haben da rechtlich keine Einflussmöglichkeit, sie sind an diese Gesetze gebunden und müssen den „Auftrag“ des Bundes umsetzen. 3/

Wie lief das ab? 1992/93 wurde die A 49 von der Schwarz-Gelben Bundesregierung unter Kohl im Fernstraßenausbaugesetz in Auftrag gegeben (Drucksache 12/3480 ). Sogar als „vordringlicher Bedarf“. 2012 wurde vom hessischen FDP-Minister Posch die Planfeststellung unterschrieben. 4/

Damit war das Genehmigungsverfahren beendet. Versuche, das Verfahren gerichtlich rückgängig zu machen, wurden in höchster Instanz abgeschmettert. An diese von CDU und FDP innerhalb von 20 Jahren geschaffenen Fakten ist die hessische Landesregierung rechtsstaatlich gebunden. 5/

Die Grünen haben den Bau der A 49 auf jeder Ebene zu jedem Zeitpunkt kritisiert. Auch innerhalb der hessischen Regierung, auch wenn dieser Antrag von CDU/Grüne, verbreitet von @Janine_Wissler (LINKE), was anderes andeutet. Aber: Der Antrag ist ein Versuch, den Bau zu stoppen. 6/

Die entscheidende Formulierung ist unter 4.: Dass „es für einen Weiterbau der A 49 erforderlich“ ist, „dass (…) die Finanzierung vollständig gesichert ist“. Der Antrag wurde von SPD und FDP damals als „Aus für die A49“ kritisiert. Die SPD war immer für die A 49, @larsklingbeil.

Den Grünen war damals klar, dass es keinen rechtlichen Weg gibt, den Bau zu stoppen. Außer, man fordert eine komplette Finanzierung im Vorhinein, und der Bund finanziert nicht. Es war die letzte Möglichkeit, den Weiterbau zu stoppen. 7/

Die Grünen haben sich dabei leider verkalkuliert, denn Andi Scheuer hat es 2016 tatsächlich geschafft, die vollständige Finanzierung über ein ÖPP-Projekt zu sichern und sich danach ordentlich stolz selbst auf die Schultern geklopft: https://bmvi.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2020/025-bilger-oepp-a49-hessen.html 8/

Man muss die traurige Realität leider so aussprechen: Im Fall der A49 ist es, außer es geschieht ein Wunder, nicht mehr möglich, das Projekt zu verhindern. Außer: Andreas Scheuer als Verkehrsminister stoppt es. Und wir wissen alle, dass er das nicht machen wird. ABER: 9/

Es gibt im Bundesverkehrswegeplan noch viele Autobahnen, deren Verfahren nicht abgeschlossen sind. SIE KÖNNEN UND MÜSSEN VERHINDERT WERDEN, DENN JEDER GEFÄLLTE BAUM IST EINER ZU VIEL. Liebe Umweltaktivist*innen: Wollen wir Seit‘ an Seit‘, gemeinsam, dafür kämpfen? 10/

Ansprechpartnerin bei den hessischen Grünen ist übrigens die gute @katywalther1 . 🙂 Solidarität mit allen Aktivist*innen, die jetzt gerade da draußen sind, euer Protest ist wichtig und dass ihr uns @Die_Gruenen als Gegner*innen begreift, schmerzt uns sehr. 11/11

Teil 2:

Gestern habe ich erklärt, warum die Kritik an den Grünen überzogen ist. Heute möchte daran anknüpfen und ein paar Fragen beantworten. Außerdem Thema: Politiker*innen, die gegen die Grünen empört aufgesprungen sind, sollten ganz still sein. 1/

Zuerst die Frage: Wenn die @gruenehessen gegen den Weiterbau der #A49 sind, warum steht er dann im Koalitionsvertrag? Es nichts zu beschönigen. Der Rechtsweg war 2014 – bis auf das Verfahren zur Wasserrichtlinie (s.u.) – vollständig ausgeschöpft. 2/

Koalitionsverhandlungen sind von Tit-for-Tat geprägt. Für jede Position, die man selbst durchbringt, muss man der anderen Seite etwas zugestehen. Die CDU wollte sich im Vertrag unbedingt zur A49 bekennen. Das Land konnte rechtlich am Bau im Grundsatz nichts mehr ändern. 3/

Die Grünen hätten, um die Passage zu streichen, eigene Positionen aufgeben müssen. Auswirkungen auf die Rodungen hätte die Streichung nicht gehabt. Das lässt die Grünen nun in einem schlechten Licht dastehen. Schade. Doch das Problem ist nicht der Koalitionsvertrag. 4/

Das grundsätzliche Problem ist: Nirgendwo gibt es Mehrheiten GEGEN die Autobahn. In den Kreistägen, im Landtag, im Bundestag: überall befürworten CDU, SPD und FDP den Ausbau der A49. Ihr könnt euch sicher sein: Die Speerspitze einer Mehrheit gegen die Straße wären die Grünen. 5/

Man beachte: Im Jahr 2008, als das Verfahren zur Planfeststellung gerade angelaufen war, war es die SPD, die in den Koalitionsvertrag mit den Grünen diesen Abschnitt hineinverhandelte. Damals hatten die Grünen 10% und wären Juniorpartnerin einer Minderheitenregierung gewesen. 6/

Die Verhandlungsergebnisse waren mau, aber besser als eine Fortsetzung der rechten Regierung von Roland Koch. Die LINKE stimmte damals für die Duldung des Vertrages – und damit für eine Fortführung der noch offenen Verfahren Ausbau A49. Die Koalition scheiterte an der SPD. 7/

Um eine erste Bilanz zu ziehen: In der Geschichte der Auseinandersetzung um die A49 haben sich keine der beteiligten Parteien wirklich mit Ruhm bekleckert. Auch hier wieder das Problem: Es gibt keine Mehrheiten gegen die Autobahn. Was mich persönlich fassungslos macht! 8/

Dass aber ausgerechnet die SPD (@larsklingbeil und @MalteOppermann) und die LINKEN (@Janine_Wissler) auf den Empörungszug aufspringen, ist eine Verdrehung der Wirklichkeit und ist ein Trauerspiel im demokratischen Umgang miteinander. So erringen wir jedenfalls keine Mehrheit. 9/

Eine weitere Frage – wie verhält es sich mit dem BVerwG-Urteil zur Wasserrichtlinie? Ist das nicht noch ein Angriffspunkt? Die kurze Antwort: Nein. Das Gericht hat zwar Unzulänglichkeiten in der Planung festgestellt, jedoch ließen diese sich diese durch Anpassungen beheben. 10/

Die Wasserrichtlinie eignet sich also nicht, um das Projekt zu stoppen. Das war die letzte Auseinandersetzung, die juristisch zu einem Baustopp hätte führen können. Das Gutachten dazu wäre lt. Gericht nicht notwendig gewesen, es wurde trotzdem (hoffend) in Auftrag gegeben. 11/

Der Vorwurf, die grüne Fraktion hätte sich im #DanniBleibt nie gezeigt, stimmt nicht. Beispielsweise @katywalther1 war in den letzten Wochen ständig da im Versuch, zu vermitteln. Nun noch ein paar Worte zum Vorschlag von  @KoalaKollektiv: https://twitter.com/KoalaKollektiv/status/1313242012569808896 12/

Auch hier muss man leider sagen: Die Möglichkeiten für Rechtsstreits sind ausgeschöpft. Es gibt zwei realistische Szenarien, was passiert, sollte @talwazir seine gesetzliche Verpflichtung zur Wahrnehmung des Bundesauftrags verweigern. 13/

Erstens: Wenn die Grünen nicht mehr kooperieren, werden die in der Fläche CDU-dominierten Landkreise ihrerseits Kooperationen verweigern. Ihre Kooperation ist aber essentiell, ohne sie ist ein Windenergieausbau und die Energiewende nicht möglich. Das wäre ein Rückschlag. 14/

Zweitens: Stellt sich das Verkehrsministerium quer, käme es wohl zum Koalitionsbruch. Das würde aber an den Mehrheiten für die Autobahn nichts ändern. Damit wären viele wichtige grüne Projekte vorbei, es gäbe eine GroKo-Mehrheit auf Landesebene. Die A49 würde dennoch gebaut. 15/

Es ist schwer erträglich, dass der regierende parlamentarische Arm der Umweltbewegung keine Handhabe haben soll. Die Wahrheit ist: Egal, was die  @gruenehessen gerade tun, es wird nicht zum Erhalt des #Danni führen. Es ist ein gemeines Dilemma, in dem die Hessen stecken. 16/

Wir sollten uns als Umweltbewegung nicht spalten lassen, sondern gemeinsam die Verantwortlichen adressieren: Bundesregierung, Scheuer, STOPPT DEN BAU DER A49, stellt die Rodungen ein und ladet die Aktivist*innen zu einem Runden Tisch für die Zukunft der Verkehrspolitik ein! 17/17

Es gibt viele Autobahnprojekte, die sich noch in der Planungsphase befinden. Mit eurer Unterstützung und den richtigen Mehrheiten können  @Die_Gruenen diesen ökologischen Schwachsinn zu stoppen. 18/18