Für eine unabhängige Presse statt Parteien-Filz 23. August 201731. Mai 2019 Um es gleich deutlich zu sagen: Marburger Stadtpolitik, Vorwürfe der Strippenzieherei und des SPD-Filzes interessieren mich persönlich herzlich wenig. Eine unabhängige Presse und Medienvielfalt, die ein waches Auge auf diese hat, aber umso mehr. Angesichts einer sowieso geringen Vielfalt an Printmedien in Marburg sind der Marburger Express und seine journalistische Unabhängigkeit mir besonders wichtig. Daher ist es selbstverständlich, dass bei dem Verkauf eines Mediums, dass nicht nur in der Stadt Marburg, sondern weit darüber hinaus seinen Weg in die Haushalte des Landkreises findet, Transparenz über den Fortbestand seiner unabhängigen Berichterstattung verlangt wird. Die kommunalen Gremien in Marburg und Kreis, die dies tun können und müssen, sind die jeweiligen Parlamente und deren Ausschüsse. Grund genug also sich im Kreistag hiermit zu befassen und hierzu einen Antrag einzureichen. (Nachtrag 8.9.: Doch leider meinte die SPD-Fraktion ihren Koalitionspartner CDU dazu zu verpflichten, die sicherlich eh nicht große demokratische Kontrollfunktion eines kommunalen Gremiums durch einen Nichtbefassungsbeschluss (OP-Bericht) auszuhebeln.) Was ist bisher bekannt? Der Verlag, in dem der Express erscheint, die Marbuch Verlagsgesellschaft mbH sollte verkauft werden. Das gaben die früheren Besitzer im vergangenen Sommer bekannt. Die stadteigenen Stadtwerke Marburg GmbH sollten sie nach Willen von Oberbürgermeister und Stadtwerkegeschäftsführung für € 86.000,- zum 1. Januar 2017 kaufen. Der Aufsichtsrat hatte dem Plan der Geschäftsführung Ende November zugestimmt. Dieser Plan von Oberbürgermeister und Stadtwerke-Geschäftsführer war rechtswidrig. Es ist der öffentlichen Hand und auch Unternehmen, die zu 100 % in öffentlicher Hand sind, nicht gestattet, Presseorgane zu erwerben, die sich am politischen Diskurs beteiligen, das nennt sich Staatsfreiheit der Presse. Die kommunalen Gremien in Marburg beschäftigen sich im Januar mit dem Kauf des „Marbuch Verlags“ durch die Stadtwerke. Die Marburger FDP schaltete hierauf das Regierungspräsidium Gießen als Kommunalaufsicht ein. Am 1.2. gab das Amtsgericht Marburg die Bestellung des Stadtwerke-Geschäftsführers auch zum Geschäftsführer der Marbuch-Verlagsges. mbH bekannt. Ende März teilte dann dieser mit, dass die Mitarbeiter die Verlagsanteile mit Finanzhilfe eines „Externen“ gekauft hätten. Offenbar hatte die Aufsichtsbehörde erklärt, dass man „drohe einen Rechtsbruch zu begehen“, wie in der örtlichen Presse zu lesen war. Dies führte zu weiteren Nachfragen in den Ausschusssitzungen des Stadtparlaments im Mai. Es wurde Transparenz über die finanzielle Konstruktion beim Kauf des Marbuch-Verlags und der Rolle des Geschäftsführers bei diesem und gleichzeitig den Stadtwerken gefordert. Hierbei wurde auf das Recht des Parlamentes auf Informationen zu Beschlüssen von städtischen Tochterunternehmen verwiesen. Auch Vertreter der Mehrheitsfraktionen räumten ein, dass Transparenz geboten sei und die Zulässigkeit der Konstruktion geklärt werden müsse. Seit Dezember, kurz nach dem Aufsichtsratbeschluss, bis zum aktuellen Express von Mitte August fungiert laut Impressum der Stadtwerke-Geschäftsführer als Herausgeber und wird als Geschäftsführer des Marbuch-Verlags benannt. Weiterhin hat der Stadtwerke-Geschäftsführer eine für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtwerke beschäftigte Mitarbeiterin als Verlagsleiterin eingesetzt. Unklar ist bis heute, wen der Stadtwerke-Geschäftsführer in seiner öffentlichen Erklärung meinte, als er davon sprach, dass ein „Externer“ die nötigen finanziellen Mittel bereitgestellt hat. Auch ist unklar, wie dabei die Unabhängigkeit der Redaktion (s. FR 2004) gewahrt bleibt. (Nachtrag am 5.9.:) Erst nach Einreichung eines Antrags im Kreistag zum Ausssetzen von Werbeaufträgen u.ä. bis Transparenz über die finanzielle und die rechtliche Konstruktion beim Kauf des Marbuch-Verlags wurden weitere Details bekannt. So wurde durch einen Vermerk des Geschäftsführers der SPD-Fraktion, Michael Müller, bekannt, dass die Stadtwerke Marburg zum 1.4. mit dem Marbuch Verlag durch Ihre Geschäftsführer in Personalunion vereinbarten, dass die Mitarbeiterin der Werbeabteilung der Stadtwerke Katharina Deppe – wie im Impressum des Express benannt – künftig als Mitarbeiterin sowohl für die Stadtwerke als auch als „Verlagsleitung“ für den Marbuch Verlag arbeiten würde. Hierzu wurde ein Dienstleistungsvertrag zwischen beiden Unternehmen geschlossen. Der Vermerk des SPD-Fraktions-Geschäftsführers ist auch von Oberbürgermeister und Stadtwerke-Geschäftsführer autorisiert. Unklar ist, wieso Herr Müller zu dem Geschehen einen Vermerk fertigt und in Umlauf gibt. Allerdings hatte der Oberbürgermeister bei Beantwortung einer Anfrage der FDP in der Stadtverordnetenversammlung in Marburg diese Antwort noch nicht gegeben. Ob mit der jetzigen Konstruktion die beteiligten Akteure einen rechtsicheren Weg gefunden haben, das Gebot der Staatsfreiheit der Presse sicherzustellen, ist schwer zu beurteilen. Keinesfalls kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt von einer ausreichenden Transparenz gesprochen werden. OB und SPD-Fraktionsvorsitzender tun wenig, um die nötige Transparenz zu schaffen. Stattdessen tun sie Forderungen danach als „Schmutzkampagne“ ab und setzen eine Nichtbefassung in den kommunalen Gremien durch. Diese fehlende Transparenz bei SPD-Medienbeteiligungen hat leider eine lange Tradition. Schon vor 30 Jahren deckte der Spiegel auf, dass die Übernahme des „Linksrheinischen Rundfunks“ (LR), vom jetzigen Marburger Stadtwerke-Geschäftsführer mitgegründet, durch die SPD so klammheimlich abgewickelt worden sei, „dass es im Handelsregister auch heute (Anm.: zum Erscheinen des Artikels) noch nicht den geringsten Hinweis auf den Besitzer gibt“. Aus Tarnungsgründen seien Zuschüsse der Bonner SPD über Konten eines Marburger Verlags geleitet worden. Die Historie des Abenteuers Hörfunk werden im Buch „Vermögensmacht und Medieneinfluss“ von Andreas Feser 2003 ausführlich dokumentiert. Der Linksrheinischen Rundfunk wurde über einige Stationen, wie u.a. die LR Hörfunk Beteiligungsgesellschaft schließlich im August 1999 mit der SPD-Medienholdung DDVG unter Inkaufnahme hoher Verluste verschmolzen und ihr erging es damit ähnlich wie einigen weiteren Medienaktivitäten der SPD. Dabei ist es selbstverständlich der SPD wie jeder anderen Partei auch unbenommen, sich an Verlagen, Rundfunksendern und anderen Medien zu beteiligen. Dies muss nur transparent geschehen. Eine Verquickung von Partei- und kommunalen Interessen muss ausgeschlossen und die journalistische Unabhängigkeit gewahrt werden. Daher ist es geboten, die parlamentarische Kontrollfunktion auszuüben. Stadt- und Kreisgremien sind gehalten, hier genau hinzuschauen, auf Versäumnisse und Interessenkonflikte hinzuweisen. Dieses Bemühen mit den Begriffen „mit Dreck werfen“ und „Schmutzkampagne“ zu verunglimpfen, zeugt von einem Mangel an Demokratieverständnis und fällt auf lange Sicht leider auf alle politisch Engagierten zurück.