2003 wurde zuletzt viel über die Zulässigkeit von Kopftüchern an Schulen und Kindergärten diskutiert. Auch im Blog “Lahntalk” griff ich dieses Thema, auf zitierte Paulus am 24. September aus den Korinther-Briefen in Kopftuch und Kruzifix, schrieb am 4. Oktober über Trennung von Staat und Kirche und berichtete am 4. Dezember über Protest prominenter Frauen aus Politik und Gesellschaft gegen ein generelles Kopftuchverbot an deutschen Schulen, Ihren Einsatz wider eine Lex Kopftuch.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht das pauschale Kopftuchverbot für Lehrerinnen an Schulen von 2003 gekippt. Laut seiner Grundsatzentscheidung verstößt das generelle Kopftuchverbot gegen die Religionsfreiheit. Damals hatten die Karlsruher Richter des Bundesverfassungsgerichts den Ländern das Recht zugeschrieben, durch Schulgesetze Kopftuchverbote zu erlassen, dass sie auch vorsorglich möglich sind. Nun distanzierten sich von dieser Entscheidung und betonten, dass künftig eine konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder den Schulfrieden vorliegen müsse, um ein Kopftuchverbot zu begründen. Eine abstrakte Gefahr alleine reiche nicht aus.
Eine jüdische Lehrerin kommentiert dies in der “Jüdischen Allgemeinen” am 19 März so: “Die Schule ist voll von religiöser Symbolik. Ob durch den Weihnachtsbaum im Foyer, Ostern im Kunstunterricht, menschenleere Schulen an Bayram oder meine Wenigkeit, die ihren Schülern davon berichtet, wie man Rosch Haschana feiert. Wo ziehen wir eine Grenze, wann hat ein religiöses Symbol einen politischen Hintergrund? Hat jedes Kopftuch einen? Ich trage das kleine, fast unsichtbare Chai am Armband. […]
Sollten also bald Lehrerinnen in Kopftüchern an der Tafel stehen, würden sie gut in die deutsche Schullandschaft passen – mit Weihnachtsbäumen, Kruzifixen und einer jüdischen Lehrerin, die dann endlich ihre Chanukkia aus dem Kästchen holen könnte.”
Und in der Wochenzeitung für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen “Der Sonntag” lautet der Kommentar: “Muslimische Lehrerinnen dürfen nun mit Kopftuch ihre Schüler in Deutschland unterrichten. Einzig wenn der Schulfriede vor Ort gefährdet sei, könne ein Verbot erlassen werden. Das ist leider eine noch ziemlich unkonkrete Aussage für jene, die künftig die Verantwortung für die Regelung tragen: die Schulleitungen. […] Es ist kein schlechtes Modell, wenn jene die Verantwortung tragen, die konkret mit der Situation konfrontiert sind. Sie erleben die Wirklichkeit vor Ort – und die sieht an ostdeutschen Schulen häufig anders aus als an westdeutschen, und in erzgebirgischen Kirchgemeinden anders als in Leipziger.”
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